Blaubärchis
Bei Ed und Sue auf der perfekten Farm

Sue ist 82, drahtig und spricht akzentloses, herrlich verständliches Englisch - auf unsere Eingangsfrage, warum sie eine Blaubeerfarm hat, sagte sie: "Mein Mann wollte gerne aus Melbourne rausziehen und Blaubeeren anbauen. Warum, weiß ich auch nicht so genau." Jetzt, circa dreißig Jahre später, hat sie dreitausend Blaubeersträucher, ein preisverdächtiges Wellblechhaus mit hohen Glasfronten, eine Zitronen- und Limettenplantage, ein Gewächshaus, zwei Hühnergehege und ausgerechnet Sohn Ed, für den es am wenigsten wahrscheinlich war, übernimmt die Farm Stück für Stück.
Wir verbringen eine geniale Woche bei Sue und Ed. Warum wir sie so super schön empfunden haben? Vielleicht einfach, weil wir uns wwoofen genauso vorgestellt haben. Wir helfen auf einer professionellen, aber kleinen Farm, sind Teil des Teams, tauschen uns mit Menschen über den Ökolandbau und alles andere im Leben aus, ernten und essen feine Sachen aus dem Garten, können unseren Gastgebern wirklich weiterhelfen (ich sage nur 100kg Blaubeeren, die wir in einer Woche im Akkord für sie gepflückt haben). Es ist ein menschlich sehr netter und finanziell fairer Ausgleich - wir haben ein eigenes Schlafzimmer mit frisch bezogener Bettwäsche, bekommen sogar blaubeerenfarbene Arbeitsshirts, können unsere Wäsche so oft waschen, wie wir wollen, werden zum Schwimmen im Pool von Ed eingeladen und auch zum Pizzaessen. Wir jäten jede Menge Unkraut, pflücken Blaubeeren, Zitronen, ernten Zucchini, säen Gründünger an und bedecken diesen mit Stroh, wässern, säubern die Dachrinne von Blättern und den gesamten Hof und kochen am Ende als Dank ein deutsches Abendessen mit Rindsrouladen.
Damit euch nicht fad wird, es gab natürlich auch sehr lustige, nicht perfekte Anekdoten. Unsere Rouladen wurden zwar am Abend gegessen, aber keiner wollte Nachschlag und am nächsten Tag wurde mehr als entschieden abgelehnt, sie nochmal zu essen ;-). Wir fragen uns bis heute warum, sooooooo schlecht waren sie auch nicht!
Tobi hat es geschafft, richtig aufzuholen beim Blaubeerpflücken. Hat er am Anfang nur die Hälte von mir geschafft, waren es am Ende fast zwei Drittel pro gemeinsamer Pflückzeit ;-). Es steht 73,7kg zu 37,3kg...allerdings wurde Tobi irgendwann von Ed immer zu anderen Aufgaben geschickt. Ich habe hingegen stundenlang pflücken müssen - manchmal frage ich mich, ob Tobi sich doch schlauer anstellt als ich...
Sehr nett waren übrigens auch unsere sogenannten "Smokoes", der Name kommt von Bauarbeitern für die Raucherpause. Bei uns bestand die Pause aus gemütlichem Zusammensitzen am Vormittag mit Tee (verdammt englisch die Leute im Süden! Es war nicht mal Kaffee im Haus ;-) ) und oft Blaubeermuffins, wenn wir Glück hatten, und sie nicht im Farmshop verkauft wurden.
Am meisten hat uns aber gefreut, dass wir völlig unvermittelt am dritten Abend zu einem Barbecue von Ed und seiner unglaublich netten Frau Joan eingeladen wurden. Sie hatten zwei andere Pärchen eingeladen und wir durften einfach dazukommen, inklusive Fahrservice hin und zurück. Wir wurden einfach in die Freundesrunde aufgenommen, alle waren ehrlich interessiert an dem, was wir in Australien und zu Hause machen und haben uns sämtliche kulturelle Fragen beantwortet, die uns eingefallen sind. Wir waren so glücklich, dass wir in der eigentlich Fremde so freundschaftlich aufgenommen worden sind und alle so gewirkt haben, als würden sie sich wirklich freuen, dass wir diesen Abend miteinander verbracht haben.
Ed und Sue haben uns tagsüber, so viel sie nur wussten, über Ökolandbau erklärt. Wie ihre elektrische Bewässerungsanlage funktioniert, inklusive digitaler Diagramme, wir haben etwas über Gründüngung gelernt, die den Boden zwischen bestimmten Gemüsesorten wieder mit Nährstoffen anreichert und durften die Mischung aus Erbsen und Leguminosen auch selbst ausbringen, ich habe zum ersten Mal jemanden Kupfer auf Tomatensträucher sprühen sehen (selbstverständlich habe ich kritisch nachgefragt), wir haben zehn Sorten Blaubeeren kennengelernt, natürlich mit ausführlicher Verkostung, wir haben viel über Kundenbingung für einen Hof-Verkauf gesprochen, ungefährt hundert Blaubeerpflückeimer gewaschen, Hühner gefüttert und Eier eingesammelt, Lauchpflanzen vereinzelt - und abends in Eds Pool das eine oder andere Bier geleert, mit Blick auf herumhüpfende Kängurus am Hügel nebenan.
Es war eine rundum schöne Woche - wir haben uns wohl gefühlt, wir waren nützlich, wir hatten alles, was wir gebraucht haben. Nette Menschen, interessante und herausfordernde Arbeit und ein wohliges Heim. Was lernen wir daraus?
Auf unserem zukünftigen Hof wird es ganz bestimmt Blaubeeren geben!