Blog Post

Interview mit Sennerin Hanni

Tobi • Juli 16, 2022

Erster Almsommer, Highlights und Zwischenfazit

Tobi: In meinem Interview habe ich schon viel erzählt, aber wie ist das eigentlich bei dir, Hanni?


Wie passen die Vorstellung des Almlebens und die Wirklichkeit in deinem ersten Almsommer zusammen?


Hm, also vieles habe ich mir so vorgestellt, wie es hier ist. Das Melken, das Käsen und Bewirten. Nicht ganz so habe ich mir die Zeit des Abspülens vorgestellt :-). Dass es so viel Zeit in Anspruch nimmt, meine ich. Und irgendwie dachte ich etwas unrealistisch, dass mehr Zeit bliebe zum Lesen, Genießen etc. Naja, ansonsten habe ich mir vorgestellt, ich springe auch mehr wie eine Gams den Berg hoch, um die Kühe zu holen. Dass ich mich in Latschen verlaufe, auf dem Allerwertesten die Wiese runterrutsche und es dabei regnet, hatte ich nicht ganz auf dem Schirm. Aber es gibt auch positive Überraschungen: am Tag des Almauftriebs zweimal den Berg runter und wieder hoch zu gehen, hat mir gar nicht so viel ausgemacht. Das Kühetreiben hat so viel Aufmerksamkeit gebraucht, da waren wir ganz schnell oben, ohne dass ich mir Gedanken über meine Fitness hätte machen können.


Was hat sich verändert zwischen deinem bisherigen Job als Geschäftsführerin beim „Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft“ und der Rundumversorgung einer ganzen Alm?


Hahaha…eine super Frage! Ich würde sagen: alles. Von der Örtlichkeit (Stall, Käsekammerl und Stube versus Arbeitszimmer) über die Kolleg*innen (meinen Ehemann, eine ganz liebe Bauernfamilie versus Vorstände, Geschäftsführer, Social Media Experten und Projektmanagerinnen) und Arbeitsmittel (Kühe, Melkgeschirr, 30-Liter-Töpfe versus Tastatur und Deutsche Bahn) bis hin zu den Tätigkeiten (Melken, Brote schmieren, im Käsetopf rühren, Käse einsalzen versus Mitgliederversammlung planen, Videokonferenzen moderieren und Mails schreiben).

Beide Jobs haben ihre Vor- und Nachteile: so vermisse ich den politischen Einfluss, den wir im Bündnis erreicht haben und die vielen interessanten Gespräche; die handwerkliche routinierte Tätigkeit auf der Alm tut mir allerdings gesundheitlich sehr gut und ich spüre weniger Stress.


Was sind deine Tages-Highlights bzw. von was zehrst du in anstrengenden Momenten?


Die Kühe – die sind immer mein Tageshighlight! Die Nähe zu den Tieren beim Melken mag ich sehr gerne, es ist so etwas Besonderes zwischen ihnen zu stehen, ihre warme Haut zu spüren und ihre Blicke, bei denen man manchmal das Gefühl hat, sie haben einen auch gern. Ich streichle sie auch wirklich gerne (zumindest die, die das mögen und einem nicht die Hörner reinhauen!), vor allem unsere kleinste, das Kälbchen Tapfer. Sie legt, wenn man sie quasi unterm Kinn krault, immer ihren ganzen kleinen Kopf in meine Arme.

Unser Bergfrühstücksbrunch ist der schönste Moment zusammen mit Tobi – wir futtern nach vier Stunden Arbeit die leckersten Sachen: den eigenen Käse, Kuchen aus dem Holzofen, Bionella usw. Dafür nehmen wir uns Zeit und bei schönem Wetter sitzen wir draußen und schauen unseren Kühen zu.


Was war dein bisher kuriosestes oder lustigstes Almerlebnis?


Also der große, tätowierte Mann, der neulich vor der Tür stand und um ein Glas Milch gebeten hat, war schon sehr erheiternd.

Ansonsten musste ich doch sehr über mein: ich-stecke-mit-meinen-Socken-im-Matsch-Erlebnis bei strömenden Regen während des Küheholens lachen. Da war dann auch schon alles egal. Die Schuhe habe ich gottseidank wieder rausbekommen, bin halb sockig zurückgelaufen und habe erstmal ein Video mit Tobi gedreht...

Ui, und Ella, die mitten auf dem Weg vom Stall zur Weide wie eingefroren stehen geblieben ist, damit ich ja nicht aufhöre, sie zu striegeln :-).


Und vor allem, was hat dich auf die Idee gebracht, gemeinsam mit mir einen Almsommer zu verbringen und Job und Wohnung aufzugeben?


Puh, das wäre einen ganzen Blogeintrag wert. Ich versuche es mal stichpunktartig:

  • spontane Eingebung beim Wandern auf eine Alm, dass man das doch auch mal selber machen könnte
  • die Erinnerung an Tobis Almsommer, bei dem ich drei Tage mithelfen durfte und nie vergessen habe, wie schön es ist, zwischen Kühen zu sitzen
  • grundsätzlich Tiere in meiner unmittelbaren Nähe zu haben
  • das große Interesse, Landwirtschaft für längere Zeit selbst zu praktizieren und die Herausforderungen hautnah kennenzulernen
  • meine ständigen Kopf- und Augenschmerzen von der Computer-Arbeit
  • der Wunsch, endlich aus der Stadt mehr in die Natur zu ziehen
  • das Sehnen nach einer Lebenstätigkeit, die mich als ganzen Menschen fordert (intellektuell, seelisch, körperlich) und erfüllt
  • meine neu gewonnene Sicherheit und Zuversicht, dass ich und wir im Leben einen guten, bereichernden Weg finden werden – auch wenn wir vielleicht gesellschaftlich ungewohnte Wege gehen


Dein bisheriges Fazit?


Das alles ist genau richtig! Wir sind genau am richtigen Fleck gelandet, so fühlt es sich an. Auch wenn ich morgens um fünf Uhr für eine Viertelstunde das Gegenteil denke J, die restliche Zeit fühle ich mich zufrieden und oft sehr glücklich. Für mich war es nicht mutig, diesen Schritt zu gehen, sondern notwendig. Und ich freue mich, auf alles, was in den nächsten Wochen, Monaten und Jahren kommt!

von Hanni 07 Jan., 2024
Ein Update
von Glücksbärchis 29 Juli, 2023
Wenn ein Paradies die Erwartungen übertrifft
von Hanni 19 Juli, 2023
Zwillinge, Dusty und Biertasting
von Eddy 17 Juli, 2023
aus Sicht von Eddy
von Hanni 16 Juli, 2023
Hawke's Bay, Rotorua, Bay of Plenty
von Hanni 05 Juni, 2023
Wwoofen auf zwei Inseln
von Hanni 28 Mai, 2023
wenn man sich am anderen Ende der Welt trifft
von Hanni 10 Mai, 2023
Grün, großartig, Greenwashing in Neuseeland
von Hanni 09 Mai, 2023
Ein wahres Witzgespräch
von Hanni 22 Apr., 2023
Home away from home
Show More
Share by: